In der Semtema-Straße im Zentrum von Iringa verkaufen Frauen Obst, Gemüse, Reis und Holzkohle – und tragen zugleich große Verantwortung für ihre Familien. Zwei von ihnen sind Eva (43) und Joyce (37). Ihre Geschichten stehen exemplarisch für viele Frauen in Tansania, die ihren Alltag unter schwierigen Bedingungen bewältigen und dabei auch für andere da sind.

Eva – Mutter von drei Töchtern

Eva ist Mutter von drei Mädchen: Catherine, Britney und Given. Als sie mit 15 Jahren schwanger wurde, musste sie die Schule abbrechen. Später heiratete sie jung. Doch nach der Geburt des dritten Kindes verließ ihr Mann die Familie – mit der Begründung, dass sie „nur Mädchen“ geboren habe. Seitdem lebt Eva allein mit ihren Kindern.

Sie arbeitet täglich auf dem Markt in der Semtema-Straße. Mit dem Verkauf von Lebensmitteln sorgt sie dafür, dass ihre Töchter zur Schule gehen können. Catherine studiert heute an der Universität in Dodoma, Britney ist Stipendiatin im SCHULBANK-Programm und besucht die Sekundarschule, Given ist noch in der Grundschule.

Eva hat sich über Jahre hinweg ein kleines Haus mit drei Zimmern gebaut. Sie geht sparsam mit ihren Einnahmen um und versucht, Bildung für ihre Kinder möglich zu machen – auch wenn es manchmal kaum reicht.

Joyce – Tante und Vormund

Joyce ist ebenfalls Marktfrau in Semtema. Nach dem Tod ihrer Schwester im Jahr 2019 hat sie deren Sohn Daniel aufgenommen, der heute ebenfalls ein SCHULBANK-Stipendiat ist. Joyce lebt weiterhin in ihrer kleinen Mietwohnung, um Daniel Stabilität zu geben.

Die Entscheidung, Daniel bei sich aufzunehmen, hatte Konsequenzen: Ihr Ehemann lehnte das Kind ab, die Ehe zerbrach. Joyce blieb. Sie sorgt für Daniel und ihre beiden eigenen Kinder – und steht wie Eva allein in der Verantwortung.

Wie Eva arbeitet auch sie täglich auf dem Markt. Die beiden Frauen sind befreundet und unterstützen sich gegenseitig.

Gemeinsam stark im Alltag

Eva und Joyce zeigen, was Verantwortung in schwierigen Lebenslagen bedeutet – ohne große Worte, ohne öffentliche Anerkennung, aber mit Verlässlichkeit und einem klaren Blick für das, was getan werden muss. Ihre Stärke liegt nicht in Heldentaten, sondern im täglichen Weitermachen.

Wer durch die Semtema-Straße läuft, erkennt schnell, dass diese Form von nachbarschaftlicher Unterstützung kein Einzelfall ist. Frauen helfen einander, springen füreinander ein und tragen gemeinsam viele Lasten. Solidarität ist hier gelebter Alltag.

Ein weiteres Problem, das Eva und Joyce – und viele andere Frauen – betrifft, ist das Fehlen verlässlicher Partner. Männer, die ihre Familien verlassen oder sich ihrer Verantwortung entziehen, sind keine Ausnahme. Die Folge: Es sind oft die Frauen, die das Land tragen – in wirtschaftlicher, sozialer und emotionaler Hinsicht.

Trotzdem bleiben Führungspositionen und Entscheidungsmacht meist Männern vorbehalten. Die Leistung der Frauen wird zwar anerkannt, spiegelt sich aber selten in struktureller Teilhabe wider. Die Präsidentin des Landes ist in dieser Hinsicht eher die Ausnahme als die Regel, zumindest auf den ersten Blick.